Ein nobles Erbe

Nobles Erbe

Nirmala Salve kam am 21. März 1923 – zur Tag- und Nachtgleiche – um zwölf Uhr auf die Welt. Ihre Geburtsstadt Chhindwara liegt genau in der geographischen Mitte Indiens. Ihre Familie blickte auf eine Reihe bemerkenswerter Vorfahren zurück, deren noble Eigenschaften sich auch schon früh in Nirmalas Charakter zeigten.

 

 

 

 

Familie, Herkunft und Bedeutung des Namens

Ihre Großmutter, Sakhubai Salve, setzte mit ihrem Mut und ihrer Rechtschaffenheit die Tradition der jahrhundertealten Familiendynastie fort. Sie war hochschwanger, als ihr Ehemann 1883 unter tragischen Umständen verstarb. Bedroht von ihren Verwandten, die die christliche Herkunft ihres Mannes nicht akzeptieren wollten, verließ sie mitten in der Nacht mit ihren vier Kindern das Haus. Sie überquerte eingehüllt in einen langen Sari den vom anhaltenden Monsunregen gefährlich angeschwollenen Fluss und marschierte mit ihren Kindern trotz ihres Zustands acht Kilometer weiter bis zur nächsten Bahnstation. Im Morgengrauen stiegen sie in einen Zug nach Ujjain, wo Sakhubais Bruder wohnte. Kurze Zeit später wurde dort Prasadrao Salve, Shri Matajis Vater, geboren.

Die Wohlstand und ein bequemes Leben gewohnte Sakhubai musste nun in sehr viel bescheideneren Verhältnissen zurechtkommen. Sie tat alles, um ihren Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen, und erzog sie zu Menschen mit Opferbereitschaft und Hingabe. Wenn das Öl für die Lampen zu Hause aufgebraucht war, lernten sie draußen unter der Straßenlaterne weiter.

Prasadrao, ihr jüngster Sohn, war ein besonders begabter Student und erhielt auf seinem akademischen Weg eine Reihe von Stipendien. Er studierte Jura und schloss sich dann einer bekannten Kanzlei im Zentrum Chhindwaras an. Kurz darauf heiratete er, wurde aber leider im Alter von 37 Jahren als Vater von fünf Kindern bereits Witwer. Auf Drängen seiner Angehörigen, die sich um das Wohl der Kinder sorgten, entschloss er sich, wieder zu heiraten.

Seine Wahl fiel auf Cornelia Karuna Jadhav aus Nagpur. Als erste Frau in Indien hatte sie ein Mathematikstudium abgeschlossen, beherrschte Sanskrit und hatte darüber hinaus hervorragende Kenntnisse der alten Kultur Indiens. Aufgrund ihres hohen Bildungsstandes war es für ihren Vater schwer, einen Partner mit ähnlicher oder gar noch umfassenderen akademischen Kenntnissen für sie zu finden.

Über gemeinsame Freunde übermittelte Prasadrao Cornelia und ihrem Vater einen Heiratsantrag. Die Entscheidung über diesen Antrag eines Witwers mit fünf Kindern wurde sorgfältig abgewogen. Beeindruckt von seiner Intelligenz und seiner Gottesfürchtigkeit und erfüllt von Mitgefühl für die Kinder, die so früh schon ihre Mutter verloren hatten, stimmte Cornelia aber schließlich zu und am 21. Juni 1920 fand die Hochzeit statt.

Meine Vorfahren regierten dieses Land und hier lag die Hauptstadt der Shalivanas. Sie nannten es Pratishtan oder einfach Paithan. Hier regierten sie über tausende von Jahren

Sie waren die Gründer der Shalivahan-Dynastie und nannten sich eigentlich Sath Vahan, was sovie bedeutet wie ’sieben Vahanas‘, also ’sieben Fahrzeuge‘. Sie repräsentierten die sieben Vahanas der sieben Chakras. Erstaunlich wie ’sahaj‘ das ist.[1]

Prasadrao und Cornelia teilten die Liebe für ihr Land und seine großen spirituellen Traditionen und Werte. Ihre Tochter Nirmala war erst zwei Jahre alt, als sie 1925 zum ersten Mal Mahatma Gandhi begegneten und seine Vision für ein freies Indien durch gewaltfreien Widerstand kennenlernten und übernahmen.

Trotz ihres christlichen Hintergrunds und Prasadraos Auszeichnung durch die Briten – was zur Zeit der britischen Herrschaft mit enormen Privilegien verbunden war  –, zögerten sie nicht, sich der Bewegung anzuschließen. Sie bezogen klar Position und verbrannten ihre im Ausland hergestellten Kleider auf einem öffentlichen Platz in Nagpur. Ihr Engagement im Freiheitskampf brachte beiden mehrere Gefängnisstrafen ein. Doch sie machten es zu einer Familienregel, deswegen niemals auch nur eine Träne zu vergießen. Indiens Freiheit war das Allerwichtigste, und Selbstaufopferung die Regel, nicht die Ausnahme.

Da ihre Eltern oft außer Haus waren oder Gefängnisstrafen verbüßten, übernahm Shri Mataji mit nur acht Jahren schon den Haushalt, damit ihre älteren Geschwister ohne Unterbrechung weiterstudieren konnten.

Prasadrao Salve, idealer Vater und Führungspersönlichkeit

Einige Jahre später war Shri Mataji selbst alt genug, um sich dem Freiheitskampf anzuschließen und ermutigte ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen, es ihr gleich zu tun. Auch sie wurde von den Briten eingesperrt und sogar gefoltert. Sie ließ sich durch diese Erfahrung aber nicht brechen und verkörperte ihr Leben lang die ewigen Werte ihrer noblen Vorfahren: Mut, Selbstaufopferung und Mitgefühl.

Shri Matai Nirmala Devi und Familie

[1] Salve, H. P., 2000: My Memoirs, Life Eternal Trust, New Delhi